
Mark B. Deuringer (59) leitet seine eigene Praxis für Paartherapie
Interview: „Vermeiden Sie Grundsatzdiskussionen“
Mark B. Deuringer leitet in der Einsteinstr. 104b in München seine eigene Praxis für Paartherapie, Paarberatung, Psychotherapie und Life Coaching. GALERIA Reisen erklärt der Paartherapeut, wie Paare den Übergang vom Alltag in den Urlaub streitfrei meistern, wie gemeinsames Planen Streit vermeidet und wie Sie Konflikte im Urlaub beenden.
Inwiefern unterscheidet sich der Urlaub in Sachen Streit vom Alltag?
Der Alltag erschwert die Beziehung. Beide Partner arbeiten, haben Stress. Oft bleibt kaum Zeit für Gespräche und den für die Beziehung wichtigen Informationsaustausch: „Wie ticke ich und was brauche ich von dir? Wie tickst du und was brauchst du von mir?“. Man balanciert durch den Alltag. Kommt dann der Urlaub, fallen die ablenkenden Faktoren wie Arbeit oder Haushalt weg. Plötzlich bemerkt man den mangelnden Abgleich zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen des Partners, der eigentlich täglich stattfinden soll. Im Alltag mangelt es an Übung, sich abzustimmen, aufeinander ein- und zuzugehen. Das überträgt sich auf den Urlaub.
Welche Situationen sollten Paare im Urlaub unbedingt vermeiden, um Streit zu umgehen?
Vermeiden Sie Pauschalisierungen, vor allem Grundsatzdiskussionen über vermeintlich fehlerhafte Persönlichkeitsmerkmale (z. B. „du warst schon immer rücksichtslos!“). So können Sie nichts klären. Die Abwertungen sind so massiv, dass es schwierig wird, den Urlaub trotzdem gut zu verleben. Ist die Sensibilität zwischen Paaren weniger ausgeprägt, kann man schon im Vorfeld ein Zeichen (Hand heben, etc.) vereinbaren, bei dem der andere sofort merkt, dass er jetzt nicht weitermachen soll.
Oft genügen im Urlaub Kleinigkeiten für einen großen Streit. Woran liegt das?
Streitigkeiten, die sich an Kleinigkeiten entzünden, sind meist auf ein mangelndes und nicht rechtzeitiges Aufarbeiten von bereits schwelenden, aber noch nicht ausgesprochenen Konflikten zurückzuführen. Sie haben nicht zwingend unmittelbar mit dem Streitthema zu tun, sind nur Auslöser (Trigger) eines tieferen Problems, das im Alltag bisher nicht oder nicht ausreichend thematisiert wurde.
Was kann man tun, wenn man merkt, dass Ärger im Partner hoch kommt?
Bleiben Sie vor allem ruhig. Schließlich wollen Sie sich erholen. Gelingt es, vermitteln Sie dem Partner dennoch klar, dass Sie gerade verletzt wurden. Abstrakter ist das Thema bei wiederholten Handlungsweisen des Partners, die man als rücksichtslos empfindet oder die einem auf die Nerven gehen. Hier braucht es eine kurze, aber klare Aussage darüber, was stört oder verletzt. Kann die Problematik im Urlaub nicht geklärt werden, können Sie bis Urlaubsende einen sogenannten „Friedensvertrag“ schließen. Wichtig ist aber, dass Sie zuhause weiter an der Problematik arbeiten, um den oder die Konflikte zu lösen.
Was kann man tun, wenn man bemerkt, dass im Partner Ängste hoch kommen?
Allein das Erkennen von sich aus geht in die richtige Richtung. Denn Liebe hat auch mit dem „Hinfühlen zum Partner“ zu tun: Sich dessen zu besinnen und „hinzuspüren“, wie sich der andere gerade fühlt, ist eine wichtige „Liebeskomponente“. Die Frage zu stellen: „Habe ich Dich eben verletzt?“, oder „Bin ich jetzt zu weit gegangen?“, wird eher eine Klärung und Beruhigung einleiten, als darüber hinweg zu sehen.
Was können Paare tun, um den Streit schnellstmöglich zu beenden?
Sind die Parameter der Streitkultur unterschiedlich, ist es gerade für denjenigen mit der „laxeren“ Streitkultur schwieriger. Meist geht es dann um das „Recht haben“ und in der weiteren Eskalation um das „Recht bekommen“ (d. h. ich habe möglicherweise nicht Recht, will aber Recht bekommen). Nur müssen immer beide Partner zur Beendigung beitragen. Wenn das vereinbarte Zeichen oder der Hinweis, das Problem zuhause zu klären, nicht fruchtet, der Streit weiter eskaliert, muss einer mittels der „Eskalationsprozedur“ (EP) aussteigen: Dabei sage ich dem Partner, er soll mich nicht weiter verletzen, mir Vorwürfe machen, etc. Es fruchtet nicht. Also teile ich dem Partner mit, dass ich den Raum verlassen werde, wenn er/sie nicht aufhört. Es fruchtet immer noch nicht. Nun muss ich konsequent sein und den Raum verlassen. Distanz ist zwar keine Lösung für den Konflikt, die Unterbrechung des Streits aber erst einmal notwendig, um überhaupt einen Anfang für einen Lösungsansatz zu finden.