Istanbul ist nicht eine Stadt, sondern viele

Istanbul, das klingt schon nach farbenprächtiger Geschichte, nach Orient und Okzident. Es schmeckt nach Sesamkringeln und Mokka, es duftet nach gerösteten Nüssen und Weihrauch, aber die Gerüche einer Großstadt sind auch sehr präsent. Die Stadt ist still versunken im Gebet und gleichzeitig brüllend laut zwischen all den hupenden Taxis. Todschick gestylte Türkinnen flanieren im Minirock zwischen tief verschleierten Frauen im schwarzen Tschador mit Sehschlitz, all das ist Istanbul.

Ein Kurztrip zu zweit

Meine Freundin Sabine und ich haben vier Tage Zeit, um die gigantische Metropole zu entdecken. Es ist unser erster Besuch und wir sind überwältigt von den Menschenmassen, die am Tag und in der Nacht auf den Straßen unterwegs sind. Das ist man als Deutscher einfach nicht gewöhnt. Istanbul hat geschätzte 20 Millionen Einwohner und dazu kommen noch ziemlich viele Touristen – ausländische wie wir, aber natürlich auch türkische Besucher. Also ist es eigentlich nicht so überraschend, dass wir am ersten Tag fassungslos vor einer mehrere hundert Meter langen Schlange an der Hagia Sophia stehen. Auch an der Blauen Moschee und dem Topkapi-Palast sieht es nicht anders aus … Wir beschließen, diese absoluten Highlights auf einen anderen Tag zu verschieben.

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Start am Taksim-Platz

Wir spazieren stattdessen von Beyoğlu über das Goldene Horn hinüber zur Altstadt. Los geht’s ganz entspannt vormittags um 11Uhr. Vorher ist in der Stadt nicht viel los, dafür ist in der Nacht ordentlich Betrieb.
Wir starten am Taksim-Platz. Diese riesige Freifläche befindet sich mitten in der Stadt, eher ungemütlich, aber dafür sehr geschichtsträchtig. Und sehr praktisch mit der Metro zu erreichen Es steht hier nicht nur das große Denkmal der Republik, der Platz geriet auch wegen massiver Bürgerproteste immer wieder in die Schlagzeilen.
Jetzt ist alles friedlich, während wir, die Metro im Rücken, in Richtung İstiklal Caddesi schlendern. Diese breite Fußgängerzone hat alles im Angebot, was das Herz eines shoppingwütigen Besuchers erfüllt. Malls mit dem Angebot internationaler Großstädte, schnuckelige Boutiquen mit Schuhen und jede Menge kleiner und auch großer Geschäfte mit Süßigkeiten reihen sich dicht an dicht, zum Teil in wunderschönen Altbauten gelegen.

Kulinarische Verführungen

Die Türken haben offensichtlich einen süßen Zahn, wie man in Hamburg sagen würde. Besonders eine Delikatesse fasziniert mich sehr: In flüssigem Zucker gebadete Röllchen gefüllt mit Pistazien werden in den Schaufenstern zu meterhohen Pyramiden gestapelt. Sehr hübsch!
Der Stadtteil Beyoğlu ist bekannt für seine kulinarischen Köstlichkeiten, für mondäne Bars auf den Dächern und Restaurants. Hierher kommen die jungen, eher wohlhabenden Türken, um zu feiern und einzukaufen. Deswegen verwundert es nicht, dass hier ziemlicher Betrieb herrscht. Zwischen den vielen flanierenden Menschen fahren zwar, offiziell zumindest, keine Autos, aber dafür rollt laut bimmelnd eine leuchtend rote Standseilbahn an uns vorbei.
Man könnte ja schon mal einen kleinen Kaffee nehmen, denken wir uns, und steuern schnurstracks das ausgesprochen stylishe Café „The House“ an. Hier könnt ihr zwischen Vintage-Möbeln unter Kronleuchtern wunderbar frühstücken oder mittagessen. Ich habe das Gefühl, eher in New York oder Paris zu sein.

Rund um den Galata-Turm

Gut gestärkt mit Cappuccino und frischem Obstsalat, verlassen wir das Café. Nach ein paar Metern wird die Shoppingmeile ganz schmal, die Straße heißt jetzt Galip Dede Caddesi und führt uns steil abwärts den Berg hinunter Richtung Galata-Turm. Dieses gigantische, runde Bauwerk ragt mit seinen 67 Metern über die Dächer der Stadt und ist für Touristen geöffnet. Wir könnten jetzt bis ganz oben hinaufsteigen und hätten sicher einen traumhaften Blick, aber wir haben ja noch so einiges vor. Und so begnügen wir uns damit, ihn von unten zu bestaunen.

Rund um den Turm liegt Boutique neben Boutique, üblicher Touristen-Nippes wird verkauft, aber auch die berühmten Hammam-Handtücher aus besonders fein gewebter Baumwolle werden vielfach angeboten. Wie das bei Frauen eben so ist, gehen Sabine und ich in jeden Laden auch rein. Positiv aufgefallen ist uns das kleine Geschäft namens Hars, erkennbar an den rotgestrichenen Wänden, Hausnummer 64. Die Besitzer sind ausnehmend freundlich und auch nach der hundertsten Frage nicht aus der Ruhe zu bringen. Ein Tuch in den Maßen 90 cm x 200 cm kostet 40 Türkische Lira, etwa 14 Euro, da kann ich nicht meckern.

Unseren voraussichtlichen Großeinkauf („bis der Koffer platzt …“) verschieben wir allerdings auf den letzten Tag, sonst müssten wir die großen Tüten jetzt durch die halbe Stadt schleppen. Am unteren Ende der Straße wird der Streckenverlauf etwas unübersichtlich, das ist die Kreuzung des Grauens. Wir sehen die Brücke über das Goldene Horn schon, aber wie kommen wir dahin? Wir entscheiden uns für die Unterführung.

Plötzlich weitet sich der Blick und die Stadt breitet sich in ihrer ganzen Pracht vor uns aus. Hinter uns Beyoğlu, vor uns die unzähligen Minarette der Altstadt Sultanahmet. Dazwischen die Brücke Galata Köprüsü, an der übrigens auch die Boote für die obligate Bosporus-Tour anlegen. Auf der Brücke ist an diesem Sonntag alles voller Angler, sehr malerisch, und Möwenschwärme kreischen hungrig über uns, in der Hoffnung auf einen kleinen Imbiss.

Die Altstadt Sultanahmet

Am Ende der Brücke müssen wir wieder durch einen kleinen Tunnel und plötzlich haben wir das Gefühl, in einer völlig anderen Stadt zu sein. Deutlich mehr Menschen als im schicken europäisch geprägten Beyoğlu sind traditionell gekleidet, wir sehen viele verschleierte Frauen. Marktschreier verkaufen im engen Durchgang jede Menge Souvenirs, es ist sehr laut und sehr voll. Aber ich mag das, wenn es so lebendig ist. Die Leute sind freundlich, keiner versucht uns etwas aufzuschwatzen, niemand rempelt uns an. Am Eminönü Platz beschleicht uns ein kleiner Hunger. Praktischerweise stehen wir genau vor dem ägyptischen Basar. Am ersten Stand linker Hand an der Ecke decken wir uns mit einer großen Menge verschiedener Nussmischungen ein: Pistazien, Haselnüsse, Walnüsse, gemischt mit getrockneten Früchten. So lecker – und prima für unterwegs!

Jetzt wird es noch voller – unglaublich, aber wahr. Ich muss zugeben, für jemanden wie mich, der leichte Anfälle von Klaustrophobie hat, ist es etwas grenzwertig. Aber hilft ja nix, wir wollen schließlich den Berg hinauf, wie alle anderen auch. Also steuern wir geradewegs mitten ins Chaos – oder besser gesagt: Wir schieben uns die enge Gasse Sabuncu Hani Sokak hoch, entlang an Ständen mit Gewürzen und Obst, Bündel mit für uns fremd aussehendem, getrocknetem Gemüse baumeln von den Decken. Was man damit wohl macht? Dazwischen gibt es frischen Fisch oder auch Käse, es duftet köstlich.

Etwa in Höhe der Vasif Cinar Caddesi hören die Lebensmittelstände auf und machen Platz für winzige Geschäfte mit Gürteln und Schnallen, Reißverschlüssen, aber auch Teegläsern und anderen Gebrauchsgütern. Mittlerweile ist es zum Glück auch nicht mehr so voll.

Auf dem Dach der Stadt

Wir haben fast die höchste Stelle der Altstadt erreicht, als ich meinen Blick nach oben richte. Jede Menge Dachterrassen sind zu sehen. Das trifft sich gut, können wir doch nach all dem Getümmel gut eine Pause gebrauchen. Nur wie hinkommen? Auf gut Glück schlängeln wir uns durch die Gassen und stehen in der Siyavus Pasa Sokak vor dem Haus Nr. 20. Das Treppenhaus sieht nicht sehr vertrauenswürdig aus, aber Sabine und ich geben uns einen Ruck und werden nicht enttäuscht: Der Blick von der Terrasse reicht bis zum Horizont und ist absolut atemberaubend. Der Besitzer des Cafés Seyr-i Cihan freut sich offensichtlich sehr über unseren Besuch und serviert traditionellen Chai Tee und extrem leckeren Käsekuchen. Wir sind die einzigen nichttürkischen Besucher und werden sehr herzlich umsorgt.

Von der Dachterrasse eines Nachbarhauses schallt türkischer Pop zu uns hinüber, die Musiker spielen live auf dem Dach, es wird ein Musikvideo gedreht. Links von uns sehen wir eine Reihe kleiner, mit Metall gedeckter Kuppeldächer, flankiert von einer riesigen Kuppel mit eindrucksvollen Minaretten. Der Englisch sprechende Besitzer des Cafés erklärt uns, es handele sich um die Süleymaniye Moschee, erbaut vom berühmtesten Architekten der Stadt, Mimar Sinan. Das wollen wir uns genauer ansehen.

Ein Ort der Ruhe

Mittlerweile ist es später Nachmittag. Als wir im wunderschönen Garten der Süleymaniye Moschee ankommen, bereiten sich die Gläubigen mit ihren traditionellen Waschungen zum Gebet vor. Jetzt ist Eile geboten, denn während des Gebets ist es Nicht-Muslimen nicht gestattet, sich in den heiligen Räumen aufzuhalten. Aber auch bei einem recht kurzen Besuch beeindruckt mich das Innere des 2010 grandios renovierten Gebäudes sehr. Die hohen, mit orangen, filigranen Mustern ausgemalten Kuppeln strahlen eine ungeheure Würde aus.

Der Erbauer dieses architektonischen Kunstwerks ist nicht umsonst so berühmt. Das ist der perfekte Ort, um einen Moment der Ruhe in sich zu finden – und da ist er wieder, der Gegensatz, der diese Stadt so besonders macht. Draußen tobt das Leben und hier drin ist es mucksmäuschenstill. Wir stehen noch einige Zeit an der den Komplex umgebenden uralten Mauer und sehen auf die Stadt hinunter. Ist das ein Blick!

Ein grandioser Tag neigt sich dem Ende zu

Wir könnten jetzt von hier aus noch gleich um die Ecke den großen Basar ansteuern, aber wir beschließen, dass wir für heute erst einmal genug gesehen haben.

Sabine und ich haben für 20 Uhr einen Tisch im vielfach empfohlenen Restaurant Karaköy Lokantasi reserviert. Es liegt im Stadtteil Karaköy, von unserem jetzigen Punkt aus wieder jenseits der Brücke. Das sehr schön eingerichtete Lokal ist bekannt für seine hervorragenden türkischen Vorspeisen, Meze genannt, wie z.B. Dolmasi, gefüllte Weinblätter, oder Hummus, eine Paste aus Kichererbsen und Sesam. Am nettesten ist es, wenn jeder am Tisch andere Vorspeisen bestellt und alle miteinander teilen. Das machen die Istanbuler auch, so könnt ihr viel mehr Geschmacksvarianten ausprobieren. Das Angebot wechselt täglich. Für drei Gänge inklusive Wein müsst ihr etwa mit 25 Euro pro Person rechnen.

Wir wollen vor dem Essen noch ein bisschen die Füße hochlegen. Wir haben eine ganz schöne Strecke zurückgelegt, aber jeder Meter hat sich gelohnt.

Wir sind überwältigt von den vielen Eindrücken, auch ein bisschen müde – und sehr zufrieden. Was für eine Stadt!

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Gabriele Duenwald

Sawasdee kah, ich bin Gabriele Duenwald und Thailand ist meine große Leidenschaft. Wenn ich nicht gerade auf Reisen bin, arbeite ich als Creative Direktor für Magazine. Seit 2004 reise ich viel und leidenschaftlich gern per Bus, Bahn, Boot und Motorrad durch Südostasien, zeitweilig hab ich in Bangkok gelebt. Für Soiblossom sammle ich alles, was mir auf meinen oft monatelangen Reisen an Bemerkenswertem über den Weg läuft, besondere Orte, die mir am Herzen liegen, Roadtrips für Zweiradliebhaber, Restaurants, in denen so gekocht wird, wie die Thais es lieben. Also, kurz gesagt, Adressen, die nicht unbedingt im Reiseführer stehen. Alles selbst erlebt, ausgewählt, fotografiert und beschrieben nach meinen ganz persönlichen Kriterien.